***Allem voran: Das Rad wurde von Cosmic Sports für einen Presse-Test zur Verfügung gestellt & einige der Fotos (drei um genau zu sein & die sind markiert) sind während einer Presseveranstaltung von Cosmic Sports entstanden. Der Test ist in der FAZ erschienen, weshalb sich der Text in Teilen an Leser richtet, die nicht allzu tief in der Rad- und Bikepacking-Materie beheimatet sind. Ergänzend gibt´s am Ende ein Fazit das dann auch ein bisschen hemdsärmeliger ausfällt.***
In Zeiten von elektronischen Schaltungen und per App steuerbaren Tastenbelegungen im Fahrrad-Cockpit wirkt das stählerne Surly Bridge Club wie ein Anachronismus.
Assoziationen an die Anfänge des Mountainbikens liegen bei Surly auf der Hand. Die Rahmen der US-Bikeschmiede aus Minneapolis sind ausschließlich aus Stahl gefertigt und wecken Erinnerungen an Modelle aus den 90er-Jahren. In der Reiseradler-Szene jenseits des Atlantiks haben sich die Räder längst einen Namen gemacht, sind mittlerweile aber auch außerhalb der Staaten geschätzte Tourenbegleiter. Vor allem im Kontext mit einem der aktuell ganz großen Themen der Branche – dem Bikepacking.
Dabei geht es im Kern darum, minimalistisches Gepäck in vielen kleinen Spezialtaschen und Gepäckrollen am Rad zu verteilen und mit dem so ausgerüsteten Drahtesel für ein paar Tage oder gar mehrere Wochen in der Wildnis zu verschwinden. Herkömmliche Gepäckträger oder opulente Packtaschen sind tabu und werden der Sache auch nicht gerecht. Denn Sinn dieser Gepäck-Askese ist es, kniffliges Gelände jenseits von Asphalt und Waldwegen zu erschließen. Pfade also, die dem klassischen Reiseradler aufgrund seiner Gepäckdimensionen und der Verteilung am Fahrzeug größtenteils verwehrt bleiben.
Die Rahmen sind aus Stahl, Komponenten eher zweckorientiert. Die zumeist ungefederten Modelle wirken wie der Gegenentwurf zum
Schneller-Höher-Weiter der um Innovationen und kurze Modellzyklen nicht verlegenen Fahrrad-Branche.
Fotos: Stephan Peters
Auch wenn solche Radabenteuer im Grunde mit jedem x-beliebigen Mountain- oder Gravelbike bestritten werden können, tummeln sich auf dem Markt auch Spezialisten. Stilprägend sind unter anderem jene Räder von Surly. Die Firma baut Fahrräder unter den Prämissen Nützlichkeit, Vielfältigkeit und Langlebigkeit. Technikverliebte und Leichtbau-Fanatiker schütteln angesichts der überschaubaren Produktpalette erfahrungsgemäß mit den Köpfen. Die Rahmen sind aus Stahl, Komponenten eher zweckorientiert. Die zumeist ungefederten Modelle wirken wie der Gegenentwurf zum Schneller-Höher-Weiter der um Innovationen und kurze Modellzyklen nicht verlegenen Fahrrad-Branche.
Damit ist auch schon viel über das Surly Bridge Club gesagt, das angesichts seiner Schlichtheit bei Kindern der 90er-Jahre für funkelnde Augen sorgt. Langer Vorbau, gerader Lenker, gerades 1 1/8 Zoll Steuerrohr und Schnellspanner – da werden definitiv Erinnerungen wach. Das einfarbig türkis lackierte Rad passt aber nicht wirklich in die Retro-Schublade, denn Scheibenbremsen, 27,5-Zoll-Laufräder mit bis zu 2,8-Zoll-Breite und die bequeme, aufrechte Sitzposition sind durchaus Zugeständnisse an die Moderne. Mit 26-Zoll-Reifen passen sogar 3-Zoll-Schlappen in den Rahmen, was das Surly beinahe zum Fatbike macht.
Es ist in der Summe der Eigenschaften kaum überraschend, dass sich das mit Gepäck für einen Selbstversorger-Wochenendausflug behangene Rad selbst auf ruppigem Terrain hervorragend schlägt
Auffällig sind außerdem die vielen Edelstahl-Schraubenköpfe, die aus Rahmen und Gabel des aus Taiwan stammenden Cromoly-Konstrukts hervorragen. Hier können diverse Flaschenhalter oder spezielle Mini-Gepäckträger – sogenannte Anything-Cages – montiert werden. Doch auch Schutzbleche und klassische Vorder- und Hinterrad-Gepäckträger finden Halt am gut verarbeiteten Rahmen. Ein vielfältiges Gefährt also, das sich gemäß des Einsatzzwecks anpassen lässt.
Es ist in der Summe der Eigenschaften kaum überraschend, dass sich das mit Gepäck für einen Selbstversorger-Wochenendausflug behangene Rad selbst auf ruppigem Terrain hervorragend schlägt. Die 2.2-Zoll-Reifen von WTB bieten bei moderatem Profil ordentliche Traktion auf losem Untergrund und geben dem gänzlich ungefederten Surly aufgrund ihres Volumens erstaunlich hohen Fahrkomfort. Dafür mitverantwortlich ist auch die relativ aufrechte Sitzposition, die in Kombination mit kurzem Hinterbau und breitem Lenker für ein agiles Handling sorgt. Das Bridge Club ist kompakt, weckt auf Trails den Spieltrieb, ohne bei Gepäcktouren instabil zu wirken. Ein unkomplizierter Tausendsassa ohne Schnickschnack. Gebremst wird mechanisch, für Gangwechsel ist eine Kombination aus Sram X5 und GX verantwortlich. Mit den 2 x 10 Gängen meistert das Mountainbike sämtliche Anforderungen zwischen steilen Anstiegen und rasanten Abfahrten und lässt sich selbst bepackt wie ein stählerner Muli bequem durch die Lande pedalieren.
Den Kettenriss in einem knackigen Gegenanstieg und das gegen Ende des Testzeitraums leise knackende Tretlager möchte man dem vielfältigen Velo als Bagatelle nachsehen
Auch auf Asphalt-Etappen schlägt sich das Bridge Club für ein geländeaffines Gefährt beachtlich gut. Hier überrascht zuallererst der Reifen, der – mit entsprechendem Luftdruck versorgt –
für erstaunliche Rolleigenschaften sorgt. Auch die Ergonomie ist für ein Rad mit Mountainbike-DNA absolut in Ordnung. Lediglich der Lenker ist hier nicht ganz ideal – ein bisschen zu breit, etwas
zu gerade und ohne Zubehör bietet die Lenkstange keine Variationsmöglichkeiten bei der Griffposition. Davon abgesehen weiß das unprätentiöse Surly auf ganzer Linie zu überzeugen. Den Kettenriss
in einem knackigen Gegenanstieg und das gegen Ende des Testzeitraums leise knackende Tretlager möchte man dem vielfältigen Velo als Bagatelle nachsehen. 1399 Euro ruft Surly für das Bridge Club
auf, was für ein technisch überschaubares Rad zunächst nicht nach einem Schnäppchen klingt. Ähnlich viel kostet allerdings auch die neueste Generation der Eingangs erwähnten kabellosen Schaltung.
Zugegeben, bei dem Vergleich prallen nach velophilen Gesichtspunkten Welten aufeinander, doch er relativiert auch den Preis eines robusten Arbeitstiers, dem zwischen Alltag, Trail und allen
Spielarten des Radreisens ein überzeugender Brückenschlag gelingt.