Schwer bewaffnet: Großstadt-Raccoons sind besonders gefährlich.
Das Frühstück muss wieder einmal ausfallen. Und das, obwohl Alan soeben den verstopften Benzinkocher wieder in Gang gebracht hat. Aber jetzt heißt es packen, und zwar so schnell es geht. Denn
gerade haben wir von einem State Park Volunteer Besuch bekommen, der uns freundlicherweise darauf hinwies, dass der Ranger im Anmarsch sei. Worin das Problem liegt? Hm. Der State Park, auf dessen
Campground wir in der vergangenen Nacht unser Zelt aufgeschlagen haben, ist eigentlich geschlossen. Und uns winkt ein Ticket. Wir brechen unseren Pack-Rekord und gelangen unbehelligt auf den
Highway 1, der uns geradewegs nach Manchester - ein sehr kleines Kaff, das seinem europäischen Namensvetter keine Ehre macht - führt. Der hiesige Baumarkt fungiert gleichzeitig als Supermarkt,
das heißt für uns: endlich was zu futtern! Überraschenderweise umfasst das Sortiment nicht nur waschlappenähnliches Toastbrot, sondern sogar richtig gutes Brot einer nahegelegenen Bäckerei. Für
sehr viel Geld. Aber egal, das haben wir uns verdient!
Allein im State Park: Kein Wunder, er ist ja eigentlich geschlossen.
Nur wenige Stunden später fällt der Lichtkegel von Alans Stirnlampe (es ist inzwischen Nacht geworden) auf einen Waschbären, der hinter unserem Zelt herumlungert. Zwischen seinen Zähnen hält er eine Papiertüte fest. Die Tüte, in der sich der Rest unseres sündhaft teuren und ungewohnt schmackhaften Brotes befindet. Unser Frühstück für den kommenden Tag. Womit wir schließlich beim Thema sind: Raccoons, die fiesen Feinde aller Camper.
Mussten wir in Kanada unser Essen noch vor echten Gefahren in Form von hungrigen Schwarzbären verstecken, drohen uns jetzt lediglich Attacken von vergleichsweise harmlosen Waschbären. Die sind dafür umso verbreiteter. Tagsüber begegnen sie uns in Form von Roadkill auf der Straße, nachts terrorisieren sie uns auf dem Zeltplatz. Legendär sind die Geschichten, die sich Radreisende über nächtliche Raccoon-Besuche zu erzählen wissen. Reißverschlüsse – kein Hindernis für Raccoons. Sogar ganze Fahrradtaschen sollen von ihnen schon entführt worden sein. Der kluge Radreisende weiß also: Essen muss in den Food Locker, einen abschließbaren Schrank, den jeder State Park auf den Biker-Campsites angebracht hat.
Eigentlich gehören wir zur Kategorie der klugen Radreisenden (klar!). Das gute Brot ist sicher im Food Locker verstaut. Vermeintlich sicher. Hätte uns der fiese (und bemerkenswert dicke) Raccoon nicht eine hinterhältige Falle gestellt. Auf der Rückseite des morschen Holzschrankes befindet sich ein waschbärgroßes Loch.
Wer nun der Meinung ist, der dicke Raccoon gebe sich mit einem halben Brot zufrieden, der irrt! In dieser Nacht grunzt und raschelt es noch häufiger neben unseren Zelt. Viele Gelegenheiten für uns, um geeignete Abwehrstrategien zu testen. Noch vor dem Morgengrauen finden wir eine durchschlagende Waffe. Raccoons mögen, wie es scheint, keine schrillen, lauten Töne. Wie gut, dass wir eine Pfeife dabei haben! Wie gut, dass wir die einzigen Gäste auf dem Campground sind! Da pfeift es sich ganz ungeniert.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und tröstet uns über unser karges Oatmeal-Frühstück hinweg. Im Gebüsch neben uns raschelt es. Zwei satte Waschbären lassen sich die Sonnenstrahlen auf den Pelz scheinen. Ein versöhnlicher Anblick. Irgendwie sind sie doch gar nicht so fies, die berüchtigten Raccoons.
Die Ruhe nach dem Kampf: In der Morgensonne sieht die Welt und der Waschbär doch gleich viel friedlicher aus.
/Gr
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Maria M. (Donnerstag, 06 November 2014 17:29)
Um die Bekanntschaft von Raccoons zu machen, lebten wir zu konform. Bei der Rückkehr wird Bauernbrot bereit gehalten.
Malu (Sonntag, 09 November 2014 12:17)
Daniel (Mittwoch, 10 Dezember 2014 17:23)
Watt kost denn so n Brot? :-)
Gruß
Daniel
backcountrydiaries (Samstag, 20 Dezember 2014 22:44)
In diesem Fall waren es über 5 Dollar... ;-)