Oregons Küste ist ein ständiges Auf und Ab.
Der Weg aus Washington raus und nach Oregon rein ist kein leichter. Der Columbia River muss überquert werden und der Strom ist an dieser Stelle mehrere Kilometer breit. Schon von weitem sehen wir die „Astoria Megler Bridge“, eine sechs Kilometer lange Stahlbrücke, die die beiden Bundesstaaten miteinander verbindet. Das grüne Ungetüm leitet den Verkehr bis kurz vor Astoria nur wenige Meter oberhalb der Wasseroberfläche geradewegs auf das Südufer zu, um dann kurz vor der Staatsgrenze in einem hohen Bogen an Höhe zu gewinnen. Für uns heißt es also kurz vor dem Ziel in einem langen Anstieg gen Himmel kriechen und anschließend die gewonnenen Höhenmeter wieder maximal schnell zu vernichten. Soweit alles gut, nur leider gibt‘s weder Seitenstreifen noch Trottoir, von einem Radweg ganz zu schweigen. Zudem ist die one-o-one heute voll von Rednecks in absurd großen Autos, die unserer zugegebenermaßen chamäleonartig langsamen und vor allem unmotorisierten Fortbewegung zweifellos wenig Verständnis entgegenbringen. Ich möchte mich jetzt nicht in Details verstricken, nur so viel: Die Überquerung des Columbia River gleicht einem Spießrutenlauf, den wir gemeinsam mit Jess - einer Frankokanadierin - im Konvoi zügig hinter uns bringen. Schwimmen hätte nicht viel unangenehmer sein können.
Oregon ist großartig, wir fühlen uns Kanada gleich wieder näher. Die Infrastruktur an State Parks ist üppig und dank der speziellen Hiker-Biker-Plätze zahlen wir nur 10 Bucks pro Nacht. Warme Duschen sind inklusive und fast so sauber wie im heimischen Bad. Meistens ist das Meer nicht weit und auf den Etappen geizt die Pazifikküste nicht mit ihrem rauen Charme. Mindesten alle 50 Meilen kommen wir in Ortschaften, deren pittoreske Holzhäuser sich in die Dünen schmiegen und gemütliche Cafés und schummrige Bars zum durchhängen einladen. Dank diverser Microbreweries ist die Bierdichte und -auswahl kolossal und wenn man nicht genau weiß, ob man jetzt lieber das lokale Pale Ale, Amber Ale, IPA oder doch was ganz anderes trinken mag, schiebt der Barkeeper einen Testschluck in einem üppig dimensionierten Schnapsglas als Entscheidungshilfe über den Tresen. Da geht einem echt das Bierherz auf.
Wir lernen ständig interessante und verdammt nette Leute kennen, die um Empfehlungen, Adressen und Unmengen an Zuspruch nicht verlegen sind.
Peter treffen wir an der Theke von Bill's Tavern in Canon Beach. Als gebürtiger Brite hat er sich mittlerweile in Oregon niedergelassen und schwärmt in den höchsten Tönen vom beautiful Green State. Über den Pints des Lokalbräu und seinem Essen hinweg kommen wir ins Gespräch. Er selbst hat schon diverse Long Distance Rides hinter sich, ist unter anderem von John O'Groats bis an die Südspitze Englands geradelt. Die Sympathien beruhen offenbar auf Gegenseitigkeit und so rückt der alte Mann zu vorgerückter Stunde mit wertvollen Tipps raus.
In Depoe Bay, so meint er, sollen wir uns Zeit nehmen und ein bisschen den Ozean beobachten. Nach spätestens 30 Minuten hätte er bisher jedes Mal Wale direkt vor der Küste gesichtet.
Tage später stehen wir auf einem Felsen oberhalb von Boiler Bay unweit vom besagten Depoe Bay und lassen den Blick entlang der bergigen Küstenlinie schweifen. Es dauert keine fünf Minuten, da entdecken wir die erste Atemwolke. In der nächsten Stunde sehen wir im Minutentakt Buckel und Flossen, zum Teil nur 20 Meter von den Klippen entfernt. Südlich von Depoe Bay schauen wir dann den Robben beim Sonnenbad zu und sind mächtig beeindruckt. Die Natur ist echt mal großes Kino.
Eine andere lustige Wal-Anekdote ereignet sich einige Tage später am letzten Anstieg kurz vor dem Humbug Mountain State Park. Ich meckere gerade über fehlendes Entertainment während der Bergetappe, schaue auf Meer und rufe Greta zu, dass ich jetzt zumindest einen Wal oder gar einen Hai sehen mag. Kaum ausgesprochen taucht ein Wal zwischen zwei vorgelagerten Felsen auf. Die Natur ist das größte Kino!
Auf der Liste der Tiersichtungen stehen außerdem diverse Waschbären, tote Stinktiere, Squirrels, ein Kolibri und der zeternde blaue Vogel mit der schwarzen Irokesen-Frise - ein Dauergast in den küstennahen Wäldern. An einem nebligen Strand finden wir außerdem etwas, das verdächtig nach einem Haifischzahn aussieht. Die Größe des Fundstücks lässt auf einen „Great White“ schließen.
Kurz vor der kalifornischen Grenze bricht mir am Hinterrad eine Speiche. Da ich nach 80 Kilometern keine Lust verspüre, den Abend mit Reparaturen im Schein der Stirnlampe zu verbringen, beschließen wir, uns der Sache am nächsten Tag in Ruhe und in Kombination mit einem Pausentag zu widmen. Die Entscheidung fällt uns nicht schwer, denn ein weiterer Tag in Oregon ist selbst mit öligen Fingern eine sehr angenehme Aussicht.
/Al
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Liesl R (Mittwoch, 24 September 2014 17:22)
I like it!
Maria M. (Mittwoch, 24 September 2014 22:47)
Die Küste ist faszinierend. Dankbar für die Bildergalerie und Eure Leistung bewundernd: 80 Kilometer/ Tag! Toll das backcountry in Oregon vermittelt.
Marc (Donnerstag, 25 September 2014 13:16)
Hammergeile Bilder. Da blutet einem das Herz vor Fernweh...
Waldkirch (Mittwoch, 08 Oktober 2014 19:54)
Wirklich sehr schöne Bilder!
Alan (Montag, 20 Oktober 2014 05:35)
Thx:)
Malu (Sonntag, 09 November 2014 12:38)
Lese immer wieder, bin in Gedanken bei euch und schaue die wunderbaren Bilder an.
:-)