Camping im "land of the free": Für uns war nur noch auf der Baustelle Platz.
America – the land of the free. Und mit unbegrenzten Möglichkeiten und so. Selbstverständlich ist es da auch erlaubt, jederzeit in der Wildnis ein Nachtlager aufzuschlagen. Gehört ja schließlich irgendwie dazu zur persönlichen Freiheit.
„Wie praktisch!“ denken wir uns und kundschaften via Google Earth einen passenden Spot für unsere erste Nacht in den USA aus – schön am Meer gelegen und nur einen kleiner Abstecher von unser
eigentlichen Route entfernt. Denn die Fähre erreicht Port Angeles an der Nordküste der Olympic Peninsula erst spät abends, zu spät, um noch bei einem Campground einzuchecken. Die schließen
gewöhnlich mit Einbruch der Dunkelheit ihre Pforten. Und dunkel ist es längst, als die Fähre im typisch nasskalten Pazifiknebel den Hafen und die USA erreicht.
Die Olympic Peninsula im Norden des US-Bundesstaates Washington empfängt uns mit dem typisch nasskalten Nebel.
Über dem verschlafenen Örtchen liegt eine gespenstische Stille. Die Straßenlaternen werfen ihre Lichtkegel in die Nebelbank und sorgen damit zumindest für ein bisschen Durchblick in der Fremde.
Einladend ist anders, aber was soll’s. Ab aufs Rad und schnell die zehn Kilometer zu unserem Nachtlager-Spot fahren. Der Highway führt uns in kurzer Zeit hinaus aus der Stadt und damit auch aus
dem Schutz der Straßenlaternen. „Die Stirnlampen könnten auch mal wieder neue Batterien gebrauchen…“, stellen wir hier sehr bald fest. Die Straße wird zweispurig, aber zum Glück war auch noch
etwas Geld für eine akzeptable Shoulder (so heißt hier der Seitenstreifen) übrig, die wir auf dem äußersten rechten Rand befahren. Neben den gewohnten Straßenschildern mit ungewohnten
Geschwindigkeitsangaben in Meilen (in Kanada galten noch Kilometer) häufen sich bedrohlich wirkende Mahnungen: „Don’t drink and drive!“ Oder aber auch: „Don’t drug and drive!“ Darunter - in
memory - die Namen derer, die nun unfreiwillig ein Exempel statuieren.
Aufbruch ins Ungewisse: In Port Angeles beginnt unsere nächtliche Suche nach einem Schlafplatz.
Der Abzweig zu unserem prädestinierten Lagerplatz naht und wir sind froh, dem nächtlichen Highway zu entkommen. Wir fahren ein Stück durch den Wald und landen in einer kleinen Wohnsiedlung. Am Ende der Straße wartet das Meer und unser ersehnter Lagerplatz auf uns – leider hinter einem unmissverständlichem Warnschild: „Private Road – No Trespassing!“ Eine Warnung, die man ernst nehmen sollte in einem Land, in dem zu jeder gutsortierten Mall auch ein Waffengeschäft gehört. Eine Alternative muss her. Wir streifen durch die gesamte Siedlung und treffen entweder auf umzäunte Privatgrundstücke oder entsprechende Schilder, die daran erinnern, dass mit Privateigentum nicht zu spaßen ist. Irgendwann stehen wir wieder oben am Highway und haben das beklemmende Gefühl, selbst umzäunt zu sein. In der Wohnsiedlung sind wir nicht erwünscht, und nochmal auf den Highway zu fahren, ist auch keine Alternative.
Bestandsaufnahme: Wir befinden uns auf einer Baustelle, links neben uns der Highway, rechts der Verbotsschilderwald. Welche Möglichkeiten haben wir? Eigentlich exakt eine: Auf der Baustelle
campieren. Warum auch nicht: Am darauffolgenden Tag ist Sonntag und die Chancen stehen gut, unbehelligt von Bauarbeitern davonzukommen. Zudem scheint die Baustelle „public land“ zu sein (eine
neue Auffahrt zum Highway ist vermutlich ein öffentliches Projekt) und außerdem grenzt dahinter ein schon fast idyllisches Wäldchen an.
Um Mitternacht steht das Zelt. Unsere erste Nacht in den USA ist nicht nur deshalb kurz: Am nächsten Morgen verlassen wir um 7 Uhr das Zelt (wer weiß, ob die Amerikaner nicht doch auch sonntags
arbeiten): Der erste Blick fällt auf ein paar Rehe, die im angrenzenden Wäldchen entspannt grasen. Der zweite Blick offenbart einen riesigen Haufen Plastikmüll und Bauschutt, gerahmt von mehreren
Baggern. Wir beschließen, das Frühstück auf später zu verschieben und suchen das Weite.
Auf der einen Seite ganz nett, auf der anderen voll mit Dreck: So nächtigt es sich auf Baustellen.
/Gr
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Liesl R (Montag, 15 September 2014 20:14)
Mir fällt auf.
- CAN: viele schöne Geschichten, tolle Natur, entspannte und zufriedene Gesichter...
- USA: nicht wirklich viele Einträge, viel grau und Müll, eher müder Blick... ;-)
Haltet durch!
Maria M. (Montag, 15 September 2014 22:07)
Danke für Einblicke in das backcountry, die man als üblicher Tourist nicht bekommt. Hoffentlich seid Ihr noch zu einem anständigen Frühstück gekommen.
DerRothaarige (Sonntag, 02 November 2014 21:02)
So sieht Begeisterung aus;)