Das Ziel fast vor Augen: Zwischenstopp vor Windows-Hintergrund in Luxemburg.
Es war nach dem Abi, ich hatte das Zeugnis in der Tasche und war mit dem Motorrad in Marokko unterwegs. Es muss schon südlich des Hohen Atlas gewesen sein, als wir den Radfahrer am Straßenrand trafen. Nicht der erste auf dieser Reise, aber bestimmt der denkwürdigste. Ein bisschen abgehalftert sah der Bursche aus, asketisch – was man ihm angesichts der von ihm zurück gelegten Strecke wahrlich nicht verdenken konnte. Die zehrenden Etappen auf dem Rad standen ihm förmlich ins Gesicht geschrieben. Aber da war noch was: der Wahn.
Vielleicht hatte er zu wenig Wasser getrunken, eventuell ist ihm die Einsamkeit der Hammada zu Kopf gestiegen, denkbar auch, dass er zu viel vom weichen Rif Dope geraucht hatte. Definitiv war der Kerl etwas schräg drauf und als er in Rufweite kam, fing er gleich an auf uns einzureden. Wir sollten da nicht anhalten, schließlich müsse er das dann ausbaden. Wir hingegen könnten einfach mit unseren Motorrädern verschwinden, während die Wüsten-Hustler ihn belagern und die Kinder mit Steinen nach ihm werfen würden.
So ganz von der Hand zu weisen waren seine Einwände sicherlich nicht, aber so wie [und vor allem mit welchem Blick] er das vortrug, fügte sich in meinem Kopf ein scharf umrissenes Bild des
Langzeit-Radreisenden zusammen. Plakativ zwar, aber in sich schlüssig und vor allem tauglich für die Stereotypen-Schublade.
Während ich über den kauzigen Heidelberger nachdenke, sitze ich auf einem nicht eingefahrenen, bockelharten Ledersattel und bringe mein Rad samt kompaktem 25kg-Gepäck mit jeder Kurbelumdrehung
weiter Richtung Luxemburg. Ein Wochenendausflug – nicht nur im Vergleich zur Marokkotour – aber auch ein Umdenken. Die Knie schmerzen, Muskeln brennen und ich kann mir vorstellen, was manch einer
über uns denkt, während wir sichtlich bemüht die Eifel erklimmen.
Hand aufs Herz, wir sind Greenhörner und haben uns verdammt viel vorgenommen. Und ich meine jetzt nicht von Köln via Luxemburg nach Trier zu radeln. Nein, das sind Peanuts verglichen mit, sagen
wir mal, der Strecke von Vancouver BC nach… mhm, zum Beispiel Mexiko.
Es dämmert und fängt an zu regnen. Greta spricht schon seit einigen Kilometern nichts mehr. Der Schotter knirscht unter unseren Rädern. Rechts und links nur dichte Nadelwälder. Authentisch
wollten wir‘s auf der Test-Tour haben und es ist tatsächlich gut vorstellbar, dass gleich ein Bär den mit zunehmend breiter werdenden Rinnsalen durchzogenen Waldweg kreuzt.
Wir stellen uns unter und ziehen die Regensachen aus dem Gepäck. Vertraute Handgriffe, wie auf dem Motorrad. Überhaupt gibt‘s über die Anzahl der Räder hinaus tatsächlich viele Parallelen.
Entbehrlich ist es und man ist immer ein wenig ausgeliefert. Was im einsetzenden Landregen – mit oder ohne Motor – etwas verbittert klingt, ist eigentlich das Salz in der Suppe.
/Al
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